Last updated 27. August 2023 | Alternative Lehre
Im Sommersemester 2023 haben die folgenden Angebote stattgefunden:
Adornos „Negative Dialektik“
In dem Seminar soll sich die Negative Dialektik von Theodor W. Adorno erschlossen werden. Im Format eines Lesekreisen werden wöchentlich Textabschnitte gelesen und dann in den Sitzungen gemeinsam besprochen. So sollen nicht nur Fragen geklärt werden, sondern auch die vielen philosophiegeschichtlichen Referenzen gemeinsam aufgeschlüsselt und verstanden werden. Je nach Vorkenntnissen der Seminargruppe werden in den ersten zwei Sitzungen Auszüge aus den Vorlesung über Negative Dialektik gelesen, weil diese den Einstieg in die Lektüre erleichtern. Das konkrete Lektürepensum wird in dem Seminar gemeinsam festgelegt.
Die Negative Dialektik ist einer der avanciertesten Ansätze sich mit Wissenschaft, Theorie und Kultur nach der Shoa auseinanderzusetzten und stellt damit einen wichtigen Referenzpunkt für kritische Theorien unterschiedlicher Arten da. Dabei operiert die Negative Dialektik im Modus der Durcharbeitung und immanenten Kritik, versucht also nicht einen radikalen Neuanfang zu setzten angeschichts der Schuldig gewordenen Philosophie (und Kultur), sondern die inneren Widersprüche der Geschichte der Philosophie herauszuarbeiten und in die Reflexion mit aufzunehmen.
In der Auseinandersetzung mit der Negativen Dialektik liegt ein großer Mehrgewinn für alle Studierenden, welche Interesse an kritischer Theorie und Bildung haben und mit sich dem Komplex der Shoah beschäftigen.
Aktzeichnen nach Modell – eine kritische Auseinandersetzung mit Nacktheit
Wir würden gerne einen kreativen und praktischen Workshop zum Aktzeichnen und -malen anbieten. Bei diesem können Menschen ohne Vorkenntnisse erstmals mit der künstlerischen Annäherung an die Diversität, Proportionen und Einzigartigkeit der menschlichen Körper in Berührung kommen. Bei den einzelnen Treffen werden nackte Körper mittels verschiedener Lichtverhältnisse, Posen, Materialien und Techniken künstlerisch dargestellt. Ausdrücklich wollen wir dabei den Teilnehmer:innen einen großen Einfluss auf die Gestaltung des Seminars ermöglichen, sodass eine Zuwendung zur Aktfotografie oder dem Bemalen der Körper selbst (Body-Painting) möglich ist.
In jeder Sitzung werden Personen Modell stehen – entweder wir als Veranstalterinnen oder interessierte Teilnehmer:innen. Dabei sollen Zwanglosigkeit, Selbstbestimmung und kritische Reflexion eine Grundlage für die individuelle Aufhebung des gesellschaftlichen Tabus der Nacktheit bilden. Zum Beispiel wollen wir nach den Zeichensessions ins Gespräch kommen und uns über Erfahrungen und Emotionen, sowie Fremd- und Selbstbilder austauschen, um die praktische Erfahrung des Zeichnens in einen diskursiven Rahmen zu betten. Im universitären Freiraum „PlanB“ haben wir bereits einen solchen Workshop angeboten, bei dem großes Interesse auf regelmäßige Weiterführung ausgesprochen wurde. Durch die heterogenen Erfahrungshorizonte der Teilnehmenden kann ein kollektives Mit- und Voneinander-Lernen, unabhängig von Vorkenntnissen, stattfinden.
Das Kapital I – Marx‘ „Kritik der politischen Ökonomie“ lesen
In dem Lesekreis soll das Werk Das Kapital. Kritik der politischen Ökonomie. Erster Band von Karl Marx gelesen werden.
Im Vordergrund steht die intensive Auseinandersetzung mit diesem für viele Disziplinen einflussreichen Buches. Das Kapital hat nicht nur die Soziologie, die Wirtschaftswissenschaften und die Politische Theorie geprägt, sondern auch eine ganz eigene, sehr wichtige Wissenschaftsperspektive begründet, namentlich die historisch-materialistische.
Die materialistische Analyse von Gesellschaftsstrukturen hat sich dabei als enorm wirksam und umfassend erwiesen.
In allen Sozial- sowie Geisteswissenschaftlichen Disziplinen führt kein Weg an dem Namen Marx dran vorbei. Allerdings passiert dies oft nur im Rahmen von Übersichtsveranstaltungen, bei denen dann eine, vielleicht zwei Sitzungen auf dessen Werk verwendet wird. Eine intensive Auseinandersetzung findet hier aber nicht statt. Diese soll der Lesekreis ermöglichen, indem er sich nur mit einem Werk auseinandersetzt, dies aber dadurch in einer Tiefe tun kann, die die reguläre Lehre nicht bietet.
Emotionale Resilienz – eine ganzheitliche Perspektive auf Bildung
Durch unsere Gefühle und Emotionen (= Gefühls-Altlasten) gestalten wir – bewusst oder unbewusst, konstruktiv oder destruktiv – unsere Beziehungen, unser Leben und die Welt.
Bei allem Fortschritt sind (subtile) Macht, Gewalt und Konflikte immer noch Teil unserer gesellschaftlichen Strukturen. Täglich lernen wir an der Universität intellektuell über diese Herausforderungen und deren Folgen – Angebote für einen kompetenten und lebensdienlichen Umgang mit unseren dazugehörigen Gefühlen gibt es bisher jedoch kaum.
- Wie kann ich lernen, mein Inneres so zu verstehen, dass ich einen selbstständigen, unabhängigen Standpunkt entwickeln kann?
- Was ist mein Handeln wert, wenn ich mir der Faktoren bewusst werde, die es
beeinflussen? - Was wäre, wenn uns Angst nicht mehr lähmt, sondern uns die Kraft gibt, kreative Lösungen zu finden?
- Wie könnten wir studieren, wenn Wutenergie nicht mehr unterdrückt werden muss und erst im Wald rausplatzen kann, sondern ein neues Framing erhält und für konstruktives Handeln eingesetzt wird?
In dieser praktischen Workshop-Reihe wollen wir Wege erforschen, sich aus dem althergebrachten, kognitiven Verständnis von Bildung und Gefühlen zu emanzipieren. Wir erarbeiten gemeinsam, was es braucht, um Lerngemeinschaften zu bilden, die auf sozial-emotionalen Kompetenzen fußen. Dazu gehört:
• (aktuelle) Gefühle und (alte) Emotionen zu unterscheiden
• Gefühle als positive Kräfte zu begreifen und zu nutzen
• mit emotionalen Altlasten aufzuräumen.
Politische Theorie – wir rechnen ab!
Assoziation Politische Theorie: Verstaubte Bücher und alte weiße cis-Männer? Während der Kanon der Politischen Theorie genau diese Assoziation abbildet, wollen wir mit euch gemeinsam herausfinden, dass es anders geht. Beispielhafte Seminarpläne der universitären Lehre zeigen, dass diverse Perspektiven in den sogenannten Klassikern immer noch unberücksichtigt bleiben. Unser erstes Ziel ist also, Politische Theorie kritisch zu reflektieren.
Ein zweites Ziel besteht darin, die Distanz zwischen Theorie und Praxis zu schließen, indem wir die realen Auswirkungen Politischer Theorien ergründen. Dabei liegt ein großer Fokus auf Systemen der Unterdrückung, die von den klassischen Theorien oft naturalisiert werden.
Als drittes und letztes Ziel wollen wir mit unseren Ergebnissen einen neuen und inklusiven Seminarplan erstellen.
Wir freuen uns auf eure Teilnahme und die Abrechnung mit der Politischen Theorie!
Wir wollen die Zeit während der Veranstaltung mit gemeinsamen Diskussionen füllen. Eure Ideen, sowie euren Input könnt ihr jederzeit mit einbringen. Falls ihr spannende Texte zu dem Thema gelesen habt, bringt diese gern mit und stellt sie vor!